Arbeit und MS – alles, aber sicher nicht immer einfach
Ein Blogbeitrag von Nina Schrott
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Ein Blogbeitrag von Nina Schrott
Solange ich mir die Zeit selbst einteilen und ich ein bisschen aus dem Homeoffice arbeiten kann, ist alles gut. Doch wie wird das, wenn die Studien- und Freelance-Zeit vorbei ist und ich anfangen sollte, Vollzeit zu arbeiten, wie es die meisten Leute tun? Amtsdeutsche Ausdrücke wie Erwerbsunfähigkeitspension, begünstigte Behinderte, Minderleistungsausgleich huschen dabei wie Gespenster durch den Kopf. Vielleicht werde ich mich diesen bürokratischen Monstern einmal stellen müssen, vielleicht geht’s ohne – wenn uns die MS eines lernt, ist es, sich nicht über die Zukunft den Kopf zu zerbrechen.
Ich, Nina, bin 23 Jahre alt, Studentin und freie Redakteurin, und habe schon oft mitbekommen, was es heißt, Lernen und Arbeiten mit einer chronischen Erkrankung in Einklang zu bringen. Shirin, 28, die im Social Media Marketing tätig ist, kann ebenfalls ein Lied davon singen, dass MS bei der Arbeit ein Klotz am Bein sein kann. Sie arbeitet in einer geschützten Werkstätte, in der 80 % der Mitarbeitenden auf irgendeine Weise eingeschränkt sind und weiß, was es heißt, Vollzeit einsatzbereit zu sein. Wir unterhalten uns über das Berufsleben mit MS, warum dieses nicht immer gerade lässig ist und wieso die Stigmatisierung von Menschen mit Einschränkung aufhören muss.
Stress. Den wollen wir im Idealfall alle vermeiden. Wir MS-Betroffenen müssen das tun. Der gute alte Stress wirkt bei vielen von uns nämlich wie ein Auslöser, auch genannt Trigger, für unterschiedliche Krankheitssymptome. Shirin bekommt bei zu viel Stress Empfindungsstörungen, bei mir streikt gerne einmal die Feinmotorik meiner Hände oder ich werde einfach unendlich müde. Das muss aber nicht heißen, dass wir weniger stressresistent sind. Allerdings müssen wir unsere Grenzen besser kennen und diese auch vehementer einfordern als nicht chronisch Erkrankte, weil wir sonst bitterböse dafür büßen.
Dennoch können wir an manchen Tagen – mal sind es mehr, mal weniger – ganze Berge versetzen. An anderen hingegen hat die Krankheit die Oberhand, da ist man mit den alltäglichen Aufgaben eingedeckt. Leider ist es nicht in jedem Job möglich, flexibel auf die eigene Tagesverfassung zu reagieren. Später anfangen, früher Schluss machen oder Homeoffice schicken sich eben nicht überall. Mit diesem Nicht-wissen-wie-es-morgen-wird bugsiert uns die MS in ein Gefühl vorsichtiger Unsicherheit, die auch vor dem Berufsleben nicht Halt und langfristiges Planen oft schwierig macht.
Der nächste Querulant im Job: Brain Fog. Wie der Name schon sagt, vernebelt dieser Zustand im übertragenen Sinne unser Gehirn. Wir vergessen, können nicht folgen, nicht kombinieren. Trifft mich der Brain Fog, kann ich meine Tätigkeit im Journalismus nur sehr eingeschränkt ausüben. Bei einem Interview gleichzeitig zuhören, mitdenken und Notizen machen? Nada. Mit vernebeltem Gehirn ein Ding der Unmöglichkeit, an guten Tagen eine zwar anspruchsvolle, aber gut machbare Aufgabe.
Shirin machen kognitive Einschränkungen, die größtenteils unsichtbar sind, ebenfalls mehr zu schaffen als physische, weshalb sie zu einem offenen Umgang mit der Thematik rät. Wenn das Gegenüber die Einschränkungen nicht sieht, muss man sie eben erklären, sonst kann auch nicht darauf Rücksicht genommen werden. Bei Vorstellungsgesprächen hat Shirin immer gleich alle Karten auf den Tisch gelegt, weil es ihr einfach fair für beide Parteien vorkam. Verpflichtet dazu ist man allerdings nicht. Natürlich kann diese Offenheit auch ein Nachteil sein, weil Krankheit einen ganzen Tross an Stigmata mit sich bringt. Unternehmen fürchten lange Krankenstände und verminderte Arbeitsleistung, was der Fall sein kann, aber keineswegs muss. Besser wäre, das Können eines Menschen in den Vordergrund, das Nicht-Können in den Hintergrund zu stellen. Schließlich ist die MS zwar Teil einer Person, aber nicht das, was sie ausmacht. Erkrankte sind während der Arbeitszeit nicht Erkrankte, sondern Frisöre oder Frisörinnen, Professoren oder Professorinnen, Kellner oder Kellnerinnen, Angestellte, Künstler oder Künstlerinnen, Buchhalter oder Buchhalterinnen, Tischler oder Tischlerinnen.
Und genau darauf sollte im Job auch der Fokus liegen.
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